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Achtsamkeit

Wie sie uns gesünder macht

Von Sophie Czeczil am 20. Juni 2024 · 4 Minuten Lesedauer

In einer Welt, in der von gestern auf morgen gedacht wird, bleibt wenig Raum, im gegenwärtigen Moment zu leben. Stattdessen schalten wir auf Autopilot, lassen uns fremdgesteuert durch unser Leben führen. Unser Tag läuft automatisch ab, ja sogar unbewusst. Und während wir so ferngesteuert durch unsere Welt wandern, wandern unsere Gedanken nicht selten ganz woanders hin. Wir hören laute Musik, um unsere noch lauteren Sorgen zu überhören. Wir schauen in den Bildschirm, um nicht nach innen schauen zu müssen. Und schließlich kommt der Stress, die Überanstrengung, die Krankheit. Doch wieso lassen wir es überhaupt so weit kommen?

Aktuelle Forschung zeigt, dass wir, indem wir mehr Achtsamkeit in unser Leben integrieren, unsere psychische, aber auch unsere körperliche Gesundheit verbessern können. Doch was bedeutet es, achtsam zu sein? Achtsamkeit bedeutet, im gegenwärtigen Moment zu leben. Es bedeutet zu akzeptieren, was gerade ist, ohne es zu bewerten. Alle Erfahrungen, ob gut oder schlecht, mit Neugier willkommen zu heißen. Indem wir diese Grundsätze mehr in unser Leben einbauen, leben wir gesünder.

In der Wissenschaft gibt es inzwischen viele Befunde, die diese Annahme stützen. Was jedoch noch nicht ganz klar ist, ist, auf welche Art und Weise Achtsamkeit unsere Gesundheit verbessert. Eine Annahme über den Mechanismus, der diesem Zusammenhang zugrunde liegt, ist die „Stress-Puffer-Hypothese“. Diese wurde ursprünglich in Bezug auf soziale Unterstützung formuliert. Es wird dabei davon ausgegangen, das soziale Unterstützung sowohl die Einschätzung von Stress positiv verändert als auch die Stressreaktion selbst mildern kann. Übertragen auf Achtsamkeit existiert so die Annahme, dass eine reduzierte Stressbewertung und -reaktion auch durch diese ausgelöst werden kann. Die Milderung des Stress könnte infolge erklären, weshalb Achtsamkeit eine positive Wirkung auf die Gesundheit erzielen kann. Besonders spürbar ist die Wirkung von Achtsamkeit auf die Gesundheit dabei in jenen Populationen, die besonders hohem Stress ausgesetzt sind und jenen, die an Störungen oder Krankheiten leiden, auf welche sich Stress besonders negativ auswirkt. Solche Störungen wären beispielweise Posttraumatische Belastungsstörungen oder Depressionen, die entsprechenden Erkrankungen zum Beispiel entzündliche oder kardiovaskuläre Erkrankungen.

In einer konkreten Studie, die die angeführte Annahme zu überprüfen versucht, wurden 44 Student*innen einer von zwei Gruppen zugeteilt. Beide Gruppen mussten eine 5-minütige Rede halten und eine Mathematikaufgabe lösen, wobei eine Gruppe dabei von kritischen Beurteiler*innen beobachtet wurde, während die andere allein war und mittels Tonbandgerät aufgezeichnet wurde. Die Forschen gehen davon aus, dass beobachtete Gruppe dabei viel Stress ausgesetzt war, während die Gruppe, die beim Bearbeiten der Aufgaben allein war, wenig Stress ausgesetzt war. Zusätzlich zu den Aufgaben mussten die Teilnehmer*innen mithilfe eines Fragebogens einschätzen, inwieweit sie achtsam sind. Zudem wurde sowohl der wahrgenommene Stress, als auch die Cortisol-Konzentration über eine mehrfache Abnahme von Speichel erhoben. Diese Methode begründet sich dadurch, dass der Körper, wenn er Stress ausgesetzt ist, Cortisol ausschüttet. Entsprechend der Annahme zeigten Studierende, die hohe Achtsamkeitswerte hatten und viel Stress ausgesetzt waren, eine niedrigere Stressreaktion. In der Bedingung, in der die Studierenden bei der Bearbeitung der Aufgaben allein waren, wurde kein Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und reduzierter Stressreaktion gefunden.

Gehen wir nun davon aus, dass Achtsamkeit Stress abpuffern kann und dadurch einen positiven Einfluss auf die psychische und phyische Gesundheit ausübt, so können wir diese Annahme auch biologisch begründen. Achtsamkeit scheint dabei einen Einfluss auf zwei Pfade im Gehirn zu haben, die an der Stressverarbeitung beteiligt sind. Zum einen erhöht Achtsamkeit die Aktivierung des präfrontalen Kortex. Dieser wiederum reguliert und hemmt die Aktivität in stressverarbeitenden Regionen. Kurz: Wird die Aktivität im präfrontalen Kortex erhöht, so sinkt die Aktivität in jenen Regionen, die für die Stressreaktion verantwortlich sind. Zum anderen wirkt sich Achtsamkeit auch direkt auf stressverarbeitende Regionen aus, indem sie deren Reaktivität auf Stress hemmt. So mindert Achtsamkeit beispielsweise die Aktivität und Größe der Amygdala. Die Amygdala ist eine Region, die an der Stressrektion beteiligt ist, indem sie emotionale Reaktionen generiert und reguliert. Menschen, die achtsamer sind, zeigen also weniger Aktivität der Amygdala und weisen kleinere Amygdala-Volumina auf. Zusätzlich dazu kann Achtsamkeitstraining dazu führen, dass die Aktivierung des sympathischen Nervensystems gehemmt und des parasympathischen Nervensystems verstärkt wird. Sympathikus und Parasympatikus gelten dabei als Gegenspieler: Während das sympathische Nervensystem zu einer Aktivitätssteigerung führt, sorgt das parasympathische für Ruhe und Erholung. Dass es mit einer Steigerung der Achtsamkeit zu vermehrter Regeneration und verminderter Aktivierung kommt, dürfte auch gut nachvollziehbar sein.

In einer aktuellen Studie wurde untersucht, inwieweit Achtsamkeitstraining den Ausbruch einer Krankheit verzögern kann. Dazu wurden zunächst HIV-positive Personen rekrutiert. Zudem wurden biologische Faktoren identifiziert, die die Pathogenese, also die Entstehung und Entwicklung der Erkrankung, vorantreiben. Unter der Annahme, dass Stress den Prozess der Pathogenese zusätzlich beschleunigen kann, sollte untersucht werden, inwieweit dieser durch Achtsamkeitstraining abgepuffert werden kann. Dazu wurde die Stichprobe in zwei Gruppen eingeteilt, wobei die Untersuchungsgruppe ein Achtsamkeitstraining absolvierte, während die Kontrollgruppe inaktiv blieb. Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass das Training in der aktiven Gruppe bewirkte, dass jene biologische Faktoren, die die Pathogenese beschleunigen, abgeschwächt wurden.

Dass uns Achtsamkeit mental und körperlich gesünder macht, wurde also vielfach bestätigt. Dies könnte darin begründet sein, dass wir, wenn wir achtsam sind, weniger Stress empfinden. Da zu viel Stress bekanntlich krank machen kann, puffert Achtsamkeit also dessen Wirkung. Die Frage, wie genau das funktioniert, ist jedoch noch nicht vollständig geklärt. Eine möglich Annahme wäre, dass Achtsamkeit die Fähigkeit, Stressoren mit Akzeptanz entgegenzutreten, verbessert. So schätzen Menschen, die achtsam leben, Situationen von Vornherein weniger stressig ein und regieren folglich auch weniger gestresst darauf. Allgemein könnte man sagen: Wer achtsam lebt, kann besser einen Schritt zurück machen und über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Obwohl also schon viel klar geworden ist, bleiben natürlich noch weitere Fragen offen. Zum Beispiel auch jene, ob Achtsamkeit auch nicht-gesundheitsbezogene Auswirkungen, wie zum Beispiel eine verbesserte Problemlösefähigkeit haben kann. Die Forschung der nächsten Jahre wird zeigen, welche positiven Effekte wir außerdem durch mehr Achtsamkeit erreichen können.

Bevor du dich nun also weiter von deinem Alltag berieseln lässt, nimm dir untertags bewusst Zeit für Pausen, um im Moment anzukommen. Nimm ein paar tiefe Atemzüge und erlaube dir, einfach nur zu sein. Akzeptiere die Stille, horche in dich hinein. Deine Gesundheit wird es dir danken.

Literatur

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