Wenn die Borderline-Persönlichkeitsstörung und die Bipolare Störung zusammen auftreten
Unter Expert:innen wird immer noch diskutiert, ob eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)
auf dem Spektrum einer Bipolaren Störung liegt. Immer mehr Forschung zeigt jedoch, dass sowohl eine BPS als auch eine Bipolare Störung voneinander unabhängige Krankheitsbilder sind. Trotzdem ist es in der diagnostischen Praxis häufig noch eine entweder/oder-Entscheidung. Umso schwieriger fiel es mir, damit umzugehen, als beide Krankheiten bei mir diagnostiziert wurden. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass 20% der an BPS-Erkrankten auch Bipolar sind. Genauso leiden 20% der Personen mit einer Bipolaren Störung auch an einer BPS. Die Betroffenen werden auch mit Border-polar bezeichnet. Was macht Borderpolar also aus und wieso fällt es so schwer, es richtig zu diagnostizieren?
Bipolare Störungen
Bipolare Störungen sind durch das Erleben mindestens einer (hypo)manischen Episode gekenn-
zeichnet, auf die eine depressive Episode folgt. Manien sind von extremen Hochgefühlen, verbunden mit Grandiositätsgedanken, gekennzeichnet. Die Stimmung ist euphorisch, aber auch gereizt. Symptome sind u.a. ein verringertes Schlafgefühl, impulsives und leichtsinniges Verhalten oder rasende Gedanken. Das kann dazu führen, dass die Erkrankten zu ihrer eigenen Sicherheit in die Psychiatrie eingewiesen werden müssen. Bei Bipolar 2 ist dieses Hochgefühl nicht so stark ausgeprägt und die Verhaltensweisen führen seltener zu schwerwiegenden sozialen Konsequenzen. Man schätzt, dass 1-5% der Menschen an Bipolar erkranken. Die Krankheit ist leider nicht heilbar.
Borderline-Persönlichkeitsstörungen
Eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ist charakterisiert durch Instabilität von zwischenmenschlichen Beziehungen und des Selbstbildes. Erkrankte haben starke Angst davor, verlassen und zurückgewiesen zu werden. Sie handeln oft impulsiv und erleben sehr starke Gefühls- und Stimmungsschwankungen. Das führt zu innerlicher Anspannung, die häufig durch selbstschädliches Verhalten reduziert wird. Dazu zählen z.B. Selbstverletzung, Drogenkonsum oder Hochrisikoverhalten. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass 1.6% der Bevölkerung eine BPS hat. Zum Glück erfüllen jedoch 85-90% der Erkrankten nach zehn Jahren nicht mehr die Diagnosekriterien!
Bipolar oder Borderline? - Unterschiede der beiden Krankheitsbilder
Bipolare Störungen gehören zu den affektiven Störungen. Dabei kommt es über einen längeren Zeitraum zu unnormalen Stimmungszuständen. An einem Ende liegt die Depression, am anderen die Manie.
BPS ist hingegen eine Persönlichkeitsstörung. Das sind krankhafte, langanhaltende Ausprägungen des Denkens, Handelns und der Wahrnehmung. Diese starren Persönlichkeitszüge äußern sich in unterschiedlichen Lebenslagen.
Bei beiden Krankheiten kommt es zu Stimmungsschwankungen. Bei einer Bipolaren Störungen dauern diese Zustände Tage bis zu Monate lang an und können sich mit stabilen Stimmungszu-ständen abwechseln. Bei BPS kann sich die Stimmung von einem auf den nächsten Moment ändern. Diese Schwankungen haben oft einen Trigger (Verursacher). Es kann vorkommen, dass man wei-nend mit einem Gefühl der inneren Leere im Bett liegt und Stunden später lachend und glücklich im Club tanzt. Da diese Unterscheidung schwerfällt, gibt es die Tendenz, BPS fälschlicherweise als Bipolar 2 zu diagnostizieren.
Von Bipolar Betroffene handeln in Manien sehr impulsiv und ihr Schlaf wird stark von den affektiven Episoden beeinträchtigt. Bei BPS kann impulsives Verhalten immer auftreten und der Schlaf ist nicht unbedingt beeinträchtigt. Ein zentrales Symptom von BPS ist Selbstverletzung, während sie bei der Bipolaren Störung nicht so präsent ist.
Es wird angenommen, dass Genetik für die Entwicklung von BPS ein begünstigender Faktor ist.
Jedoch erhöhen traumatische Ereignisse, darunter oft sexuelle Misshandlung, das Risiko einer Erkrankung wesentlich. Auch ein Umfeld das die Gefühle des Kindes nicht ernst nimmt, ist dabei entscheidend. Es gibt keine Psychopharmaka, die BPS effektiv bekämpfen. Nachweislich hilft Psychotherapie bei der Heilung aber sehr.
Bipolare Störungen werden in bis zu 85% der Fälle vererbt. Die Krankheit wird deshalb stark auf genetische Ursachen zurückgeführt, stressige Umweltfaktoren spielen wahrscheinlich auch eine Rolle. Es gibt einige Medikamente, die depressive/manische Episoden nachweisbar vorbeugen. Um einen Rückfall zu verhindern, müssen sie aber das ganze Leben lang eingenommen werden. Psychotherapie kann helfen, um zu lernen, mit den Stimmungszuständen besser umzugehen.
Wie fühlt es sich für mich an, Borderpolar zu sein?
Während einer hypomanischen Episode geht es mir viel besser als normalerweise. Ich schlafe weniger, habe viel Energie und probiere neue Dinge aus. Ich bin sehr aktiv und brauche keine Ruhe. Ich bringe mich zwar nicht in Lebensgefahr, zeige jedoch waghalsiges und impulsives Verhalten. Einmal war ich überzeugt, dass ich wieder gesund bin, habe meine Therapie abgebrochen und wollte keine Medikamente mehr nehmen. Über den Tag hinweg schwankt meine Stimmung aber trotzdem. Am Morgen bin ich wegen der Uni gestresst, das bringt mich sogar zum Weinen. Später ist mein Fahrlehrer so unhöflich zu mir, ich werde wütend und würde ihn am liebsten lautstark anschrei-en, was gibt ihm das Recht so mit mir zu sprechen? Am Abend fühle ich dann aber starke euphorische Gefühle, so als hätte ich keine Probleme mehr. In einer depressiven Episode geht es mir auch manchmal gut und ich bin glücklich. Dabei habe ich trotzdem Sorgen und Ängste im Hinterkopf.
Die Tiefs überwiegen aber und sind so schmerzhaft, dass ich sogar Lebensüberdruss empfinde.
Welche Auswirkungen hat Borderpolar?
Treten BPS und eine Bipolare Störung zusammen auf, ist die Suizidalität der Erkrankten deutlich erhöht. Im Vergleich mit Personen, die nur an einer der beiden Krankheiten leiden, ist der sozio-ökonomische Status niedriger, sie haben mehr traumatische Ereignisse erlebt, allgemein ist das körperliche, soziale und emotionale Wohlergehen schlechter. Wird Borderpolar mit Bipolar in Studien verglichen, so haben die Betroffenen ein niedrigeres Einkommen und sind eher chronisch arbeitslos. Sie sind seltener verheiratet, erleben mehr depressive Episode, haben mehr Suizidversuche und werden häufiger hospitalisiert.
Zusammenfassung
Die rare Studienlage zeigt, dass das Borderpolar Krankheitsbild mit noch mehr Einschränkungen und Risiken einhergeht, als BPS oder Bipolare Störungen alleine. Durch das Benennen beim Vorliegen beider Erkrankungen als Borderpolar kann mehr (wissenschaftliche) Aufmerksamkeit für dieses ernst zu nehmende Krankheitsbild geschaffen werden. Es fehlt noch an Forschung zur medikamentösen und therapeutischen Behandlung von Borderpolar Patient:innen.
Literatur
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