Warum Dating-Apps uns oft unzufrieden zurücklassen
Liegt’s an mir? Wir wissen alle, dass Apps wie Tinder, Bumble und Co. Nicht das Wahre sind, trotzdem haben es die meisten von uns zumindest mal ausprobiert. Und hin und wieder klappt’s ja doch, oder?
Dating-Apps versprechen, uns zu verbinden, doch viele Nutzer*innen bleiben am Ende enttäuscht oder sogar unzufriedener als zuvor. Aber warum ist das so? Lassen uns Dating-Apps wirklich das finden, was wir suchen, oder gibt es psychologische Gründe, warum das Swipen uns oft eher frustriert?
Der psychologische Effekt des Swipens
Der Prozess des Swipens scheint auf den ersten Blick simpel: Wir bewerten Profile, wischen nach links oder rechts, und im besten Fall erhalten wir ein Match. Dieser Mechanismus kann jedoch tiefergehende psychologische Effekte haben. Swipen beinhaltet nämlich mehrere Aspekte:
Online bleiben, statt sich zu treffen
Interessanterweise gibt rund die Hälfte der Nutzer*innen von Dating-Apps an, sich überhaupt nicht persönlich zu verabreden, sondern die Kommunikation rein digital zu halten. Ein möglicher Grund dafür ist, dass viele gar nicht wirklich single sind. Studien zeigen, dass Dating-Apps oft von Personen genutzt werden, die bereits in Beziehungen sind. Der Grund: Die Angst vor dem Single-Dasein ist ein häufiger Motivator. Selbst Menschen in Beziehungen haben oft eine starke Angst davor, allein zu sein, und springen deshalb von einer Beziehung in die nächste, ohne eine Phase des Single-Seins zuzulassen.
Swipen, um den eigenen "Marktwert" zu testen
Abgesehen von romantischen oder sexuellen Motiven bieten Dating-Apps eine einfache Möglichkeit, sich Feedback über die eigene Attraktivität als potenzieller Partnerin einzuholen. Nutzer*innen können durch die Anzahl ihrer Matches eine Art „Marktwert“ ermitteln. Dieses quantifizierte Feedback verführt viele dazu, mehr Zeit auf den Plattformen zu verbringen– selbst dann, wenn sie gar nicht aktiv nach einem Partner oder einer Partnerin suchen.
Ablehnungen sind unsichtbar – doch der Einfluss bleibt
Während des Swipens bleibt uns eine wichtige Information verborgen: die Ablehnungen. Wir wissen nie, wer uns nach links gewischt hat, und deshalb erleben wir scheinbar keine unmittelbare Zurückweisung. Doch dieses Fehlen von Ablehnung kann dazu führen, dass wir uns weiterhin vonMatches abhängig machen, um uns gut zu fühlen – was uns langfristig mehr unzufrieden als glücklich macht.
Exzessives Schreiben und Kontrollverlust
Thomas et al. (2023) haben exzessives Swipen als eine Art Kontrollverlust beschrieben, bei dem Nutzer*innen eine gedankliche Fixierung auf das Swipen entwickeln. In ihrer Studie fanden sie einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen exzessivem Swipen und negativen psychologischen Effekten wie sozialem Vergleich, der Angst vor dem Single-Dasein und der Überforderung bei der Partnerwahl. Die Vielzahl der Optionen, die uns auf Dating-Apps zur Verfügung stehen, führt oft zu einem Gefühl der Überwältigung.
Zu viele Optionen, zu wenig Zufriedenheit
Ein besonders interessanter Effekt, den die Forscherinnen untersuchten, ist die sogenannte „Tyranny of Choice“ (Schwartz, 2000). Wenn wir vor zu vielen Optionen stehen, kann dies uns überfordern und zu schlechteren Entscheidungen führen. Bei so vielen Möglichkeiten und scheinbar optimalen Bedingungen gibt es keine Entschuldigung dafür, nicht in einer Beziehung zu sein oder nicht die bestmögliche Beziehung zu haben. Wenn wir exzessiv swipen, merken wir, wie groß der Dating-Pool ist, und machen uns selbst dafür verantwortlich, dass wir scheinbar trotzdem nicht in der Lage sind, den/die „Richtigen“ zu finden. Personen in toxischen oder missbräuchlichen Beziehungen könnten sich durch diesen Überfluss an Optionen umso mehr Vorwürfe machen.
Bewertung vs. Lokomotion: Wie wir swipen, beeinflusst unser Wohlbefinden
Interessanterweise zeigt die Konsument*innenforschung (Kruglanski et al., 2000) zwei Modi, wie Menschen Entscheidungen treffen: den Bewertungsmodus und den Lokomotionsmodus. Im Bewertungsmodus geht es darum, die „richtige“ Entscheidung zu treffen. Der Lokomotionsmodus zielt hingegen darauf ab, einfach voranzukommen, ohne zu viel über jede einzelne Entscheidung nachzudenken.
Thomas et al. (2023) untersuchten, ob diese Theorie auch auf das Swipen bei Dating-Apps zutrifft. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Personen, die intuitiv und schnell swipten (Lokomotionsmodus), ein niedrigeres Selbstwertgefühlberichteten und ihre eigene Attraktivität als Partner*in (ihren „Marktwert“) geringer einschätzten als diejenigen, die bewusster und nach bestimmten Kriterien wischten (Bewertungsmodus). Allerdings hatte auch der Bewertungsmodus langfristig negative Effekte: Personen, die sich intensiver mit den Profilen auseinandersetzten, berichteten von einer größeren Überforderung bei der Partnerwahl und einer stärkeren Angst vor dem Single-Dasein.
Soziales Feedback und Selbstoffenbarung
Soziales Feedback in Form von Matches kann Einsamkeit reduzieren, aber nur bei denjenigen, die selbst viele Personen nach rechts wischen. Doch warum ist das so? Eine mögliche Erklärung liegt in der Selbstoffenbarung, die damit verbunden ist. Im Gegensatz zu einem Like oder Follow auf Instagram beruht ein Match auf Dating-Apps auf Gegenseitigkeit, was eine tiefere soziale Interaktion andeutet. Wenn es nichts wird, bleibt man in derRegel anonym – aber die Tatsache, dass man sich für ein Match entschieden hat, signalisiert Offenheit. Diese Art der Online-Selbstoffenbarung fördert, wie Deters und Mehl (2012) nachweisen, das Gefühl von Verbundenheit.
Fakt ist: Swipe-basierte Dating-Apps haben erfolgreich Ablehnung und Verletzlichkeit aus der Partnersuche entfernt. Jonathan Badeen, der Erfinder des Swipens, gab an, Tinder wie einen Spielautomaten konzipiert zu haben (Sales, 2022). Kein Wunder, dass manche von uns Matches wie Pokémon sammeln.
Mehr Swipen, weniger Selbstwertgefühl
Ein weiterer interessanter Befund: Teilnehmer*innen, die viele Profile bewertet hatten, berichteten nach der Nutzung von Dating-Apps von einem geringeren Selbstwertgefühl. Sie gaben an, sich unsicherer zu fühlen und sich stärker mit anderen zu vergleichen. Auch die Wahrnehmung, dass es immer „bessere“ Optionen gibt, verstärkte die Angst vor dem Single-Dasein.
Aber...
Die Gesamthäufigkeit der Nutzung von Dating-Apps war in der Studie nicht mit negativen psychologischen Effekten verbunden. Du musst also nicht sofort panisch alle Apps löschen und einen neuen Zyklus an Löschen und Re-Installieren starten. Stattdessen geht's darum, sich bewusst zu machen, was Online-Dating mit uns macht und insbesondere unser Swiping-Verhalten mal unter die Lupe zu nehmen.
Swipe-basierte Dating-Apps haben letztlich kein Interesse daran, unser Selbstbewusstsein langfristig zu stärken oder uns das perfekte Match zu liefern, sodass wir sie wieder löschen würden. Ihr Interesse liegt vielmehr darin, unsere Bedürfnisse auf die App zu lenken und uns durch eine Mischung aus Mangel und Überfluss auf der Plattform zu halten.
Was lernen wir daraus?
An sich sind Dating-Apps toll, insbesondere für diejenigen von uns, die sich in Person schwer tun, neue Leute kennenzulernen, oder die zu sexuellen Minderheiten gehören. Die Nutzung an sich ist also kein Problem. Aber wir sollten darauf achten, nicht nur sinnlos zu swipen. Es kann helfen, sich auch mal verletzlich zu zeigen – eine gute Bio ist ein Anfang, und viele Apps bieten inzwischen Fragen an, die man im Profil ausfüllen kann. Es ist wichtig, darauf zu achten, was es mit uns macht, wenn wir uns ständig mit anderen vergleichen.
Fazit: Warum Dating-Apps uns oft unzufrieden zurücklassen
Dating-Apps versprechen, uns mit potenziellen Partner*innen zu verbinden, doch die Realität sieht oft anders aus. Statt uns glücklich zu machen, verstärken sie oft Ängste und Unsicherheiten, indem sie uns mit einer Flut an Entscheidungen und sozialen Vergleichen konfrontieren. Ob wir nach schnellen oder bewussten Kriterien swipen, beeinflusst unser Wohlbefinden – aber auf lange Sicht scheinen beide Strategien negative Effekte zu haben. Die scheinbar endlosen Optionen können uns überfordern, während der eigentliche Zweck – eine echte Verbindung zu finden – aus den Augen verloren wird. Es lohnt sich also, den Umgang mit Dating-Apps zu überdenken und bewusst darauf zu achten, wie viel Zeit und Energie wir in das Swipen investieren.
Quellen:
Float Buddies sind neutrale Zuhörer:innen mit einem Hintergrund in Psychologie, die dir helfen, deine Herausforderungen zu meistern.
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